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Konstitutionelle Ökonomie: Die Konstitutionelle Ökonomie untersucht die Beziehung zwischen Wirtschaftssystemen und den ihnen zugrunde liegenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie konzentriert sich auf die (wirtschaftlichen) Auswirkungen alternativer verfassungsrechtlicher Regelungen sowie auf die Entstehung und Änderung verfassungsrechtlicher Regelungen. Siehe auch Verfassung, Gesetze, Recht, Wirtschaft.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Guido E. Tabellini über Konstitutionelle Ökonomie – Lexikon der Argumente

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Konstitutionelle Ökonomie/Tabellini/Persson/Voigt: Persson und Tabellini (2003)(1) ist ein wichtiger Beitrag zur Positiven Konstitutionellen Ökonomie (PCE - Positive Constitutional Economics). Sie analysieren die ökonomischen Effekte von zwei Verfassungsinstitutionen, nämlich Wahlsystem und Regierungsform.
>Wahlordnungen/Persson/Tabellini
.
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Bezirksgröße: Über die Wahlordnungen hinaus befassen sich Persson und Tabellini (2003)(1) auch mit möglichen Effekten der Bezirksgröße und der Wahlkreisstruktur. Nehmen wir an (...), dass Einzelwahlkreise mit einer Pluralitätsregel kombiniert werden. In dieser Situation benötigt eine Partei nur 25% der nationalen Stimmen, um die Wahlen zu gewinnen (50 % der Hälfte der Bezirke: Buchanan und Tullock, 1962)(2).
Im Gegensatz dazu steht ein einziger nationaler Bezirk, der mit PR (= proportional representation, dt. Verhältniswahlrecht) kombiniert wird. Hier braucht eine Partei 50% der nationalen Stimmen, um zu gewinnen. Persson und Tabellini (2000(3), Kap. 9) argumentieren, dass dies den Parteien unter PR einen starken Anreiz gibt, allgemeine öffentliche Güter anzubieten, während Parteien unter Pluralitätsregel einen Anreiz haben, sich auf die Swing States zu konzentrieren und Politiken zu versprechen, die speziell auf die Präferenzen der Wählerschaft ausgerichtet sind.
Struktur des Stimmzettels: Was die Struktur der Stimmzettel betrifft, so setzen MR-Systeme (MR= majority rule, dt. Mehrheitswahlrecht) häufig auf Einzelkandidaten, während proportionelle Systeme oft auf Parteilisten setzen. Parteilisten können als gemeinsamer Pool interpretiert werden, was bedeutet, dass man davon ausgehen kann, dass einzelne Kandidaten unter PR weniger in ihre Kampagnen investieren als unter MR. Persson und Tabellini (2000(3), Kap. 9) argumentieren, dass Korruption und politische Renten umso höher sein sollten, je geringer das Verhältnis zwischen individuell gewählten Gesetzgebern und den von ihren Parteien delegierten Gesetzgebern ist.
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Kosten/ökonomische Variablen: [Persson und Tabellini] (...) fanden heraus, dass Wahlsysteme signifikant mit einer Reihe von ökonomischen Variablen korreliert sind.
(1) In Mehrheitswahlsystemen sind die Ausgaben des Zentralstaates etwa 3% des BIP niedriger als unter PR.
(2) Die Ausgaben für soziale Dienste ("Wohlfahrtsstaat") sind in Mehrheitssystemen etwa 2-3 % niedriger.
(3) Das Haushaltsdefizit liegt in majoritären Systemen um etwa 1-2 % unter dem von Systemen mit PR.
(4) Ein höherer Anteil individuell gewählter Kandidaten ist mit einem geringeren Ausmaß an (wahrgenommener) Korruption verbunden.
(5) In Ländern mit kleineren Wahlbezirken gibt es tendenziell mehr Korruption.
(6) Ein größerer Anteil individuell gewählter Kandidaten korreliert mit einem höheren Output pro Arbeiter.
(7) Länder mit kleineren Wahlbezirken haben tendenziell einen geringeren Output pro Arbeitnehmer.
Blume, Müller, Voigt und Wolf (2009)(4) replizieren und erweitern die Analyse von Persson und Tabellini und finden, dass in Bezug auf verschiedene abhängige Variablen die Größe der Wahlbezirke und der Anteil individuell gewählter Kandidaten signifikanter ist - sowohl substanziell als auch statistisch - als die Wahlregel selbst.
Verzerrung/VsTabellini/VsPersson: Iversen und Soskice (2006)(5) stellen fest, dass drei von vier Regierungen unter Mehrheitssystemen zwischen 1945 und 1998 Mitte-Rechts waren, während drei von vier Regierungen unter PR Mitte-Links waren. In anderen Worten: es ist möglich, dass die Ergebnisse
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von Persson und Tabellini unter dem "omitted variable bias" leiden: es könnte sein, dass sowohl das Wahlsystem als auch die Staatsausgaben von den vorherrschenden ideologischen Präferenzen der Bevölkerung bestimmt werden.
>Staatliche Strukturen/Konstitutionelle Ökonomie, >Politische Institutionen/Persson/Tabellini.

1. Persson, T., G. Roland, and G. Tabellini (1997). "Separation of Powers and Political Accountability." Quarterly Journal of Economics 1 12: 310-327.
2. Buchanan, J. M. and G. Tullock (1962). The Calculus of Consent - Logical Foundations of Constitutional Democracy. Ann Arbor, MI: University of Michigan Press.
3. Persson, T., G. Roland, and G. Tabellini (2000). "Comparative Politics and Public Finance."
Journal of Political Economy 108(6): 1121—1161.
4. Blume, L., J. Müller, S. Voigt, and C. Wolf (2009a). "The Economic Effects of Constitutions:
Replicating - and Extending - Persson and Tabellini." Public Choice 139: 197—225.
5. Iversen, T. and D. Soskice (2006). "Electoral Institutions and the Politics of Coalitions: Why
Some Democracies Redistribute More Than Others." American Political Science Review 100: 165-181.

Voigt, Stefan, “Constitutional Economics and the Law”. In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

EconTabell I
Guido Tabellini
Torsten Persson
The size and scope of government: Comparative politics with rational politicians 1999

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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